Carsharing (car2go)
car2go ist ein Inbegriff für das "geteilte Auto" im urbanen Umfeld geworden. Der Automobilhersteller Daimler hatte vor mehr als 5 Jahren mit car2go das so genannte Freefloating Carsharing erfunden. In der Zwischenzeit ist car2go in 25 Städten weltweit vertreten. Im Interview mit den Carsharing-Experten spricht Thomas Beerman, Geschäftsführer der car2go Europe GmbH, über den Status Quo von car2go, die Wachstumspläne des Unternehmens, Big Data und die neue Premium Carsharing Marke car2go black.
CARSHARING-EXPERTEN: car2go ist ein Pionier des flexiblen Carsharings. Nun haben die Konkurrenten wie BMW nachgezogen und sind Ihnen dicht auf den Fersen. Wie sehen Sie die aktuelle Position von car2go im deutschen Carsharing Markt? Wie viele Kunden haben Sie aktuell in Deutschland?
Thomas Beermann: car2go ist nicht nur Pionier sondern mit deutlichem Abstand auch Marktführer im Segment des flexiblen Carsharing. Sowohl die Anzahl der Städte mit car2go Angebot als auch die Zahl der Fahrzeuge und der Kunden belegen die herausragende Stellung von car2go. Nicht zuletzt deshalb wird car2go inzwischen auch als Synonym für stationsunabhängiges, flexibles Carsharing verwendet. Die Zahl unserer aktiven – nicht bloß der registrierten - Kunden in Deutschland beträgt aktuell mehr als 230.000.
CARSHARING-EXPERTEN: DriveNow scheint sich immer mehr als eine Lifestyle Marke zu positionieren. Aktuell beispielsweise zu sehen anhand der Erweiterung des Angebotes um Freizeitpakete. Darüber hinaus stellt DriveNow immer wieder die Premium-Fahrzeuge von BMW heraus. Wie ist in dem Zusammenhang die Haltung von car2go?
Thomas Beermann: Wir haben aktuell mit car2go black unser Angebot um eine Premium-Variante erweitert, in der wir hochwertige Mercedes-Benz Fahrzeuge anbieten. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass wir für ein flexibles Carsharingangebot im urbanen Umfeld mit dem smart fortwo das perfekte Fahrzeug im Angebot haben. Für nahezu alle innerstädtischen Mobilitätsbedürfnisse wird kein größeres Fahrzeug benötigt – unsere Kunden sehen das im Übrigen genauso, wie die hohen Nutzungszahlen belegen. Es ist ein Ausdruck urbanen Lebensgefühls und Lifestyles car2go zu fahren. Zudem ist man emissionsarm unterwegs und findet aufgrund der kompakten Größe des smart fortwo leicht einen Parkplatz.
CARSHARING-EXPERTEN: Es gibt in Deutschland aktuell weniger als 1. Mio. Carsharer. Das ist im Gesamtkontext noch nicht viel. Wie kann die Popularität von Carsharing gesteigert werden? Wie möchten Sie wachsen?
Thomas Beermann: Als Daimler 2008 mit car2go auf den Markt kam, hat dies der gesamten Carsharingbranche einen enormen Popularitätsschub gegeben. Erstmals konnte Carsharing stationsunabhängig und spontan genutzt werden – dies hat die Einstiegsschwelle zum Carsharing enorm gesenkt und das Teilen von Autos für neue Nutzergruppen attraktiv gemacht. Die meisten Carsharingmarken, die momentan existieren, kamen erst seitdem auf den Markt und Carsharing wird noch weiter wachsen. Auch car2go wird sich deutlich weiterentwickeln. Bis 2016 wollen wir weltweit in mehr als 50 Städten vertreten sein.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie sind Ihre Pläne für 2014? Welches Wachstum planen Sie? Möchten Sie eher in den internationalen Metropolen wachsen oder werden Sie weitere Städte in Deutschland erschließen?
Thomas Beermann: Noch in diesem Jahr kommen weitere Standorte – auch in neuen Märkten – hinzu. Am Ende des Jahres wollen wir weltweit eine Million car2go Kunden haben und werden auch von der Anzahl der Fahrzeuge der weltweit größte Carsharinganbieter sein. Das Wachstum erfolgt vor allem international, es wird aber auch in Deutschland in den kommenden Jahren weitere car2go Standorte geben.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie groß muss eine Stadt mindestens sein, dass sich Ihr Carsharing Konzept einigermaßen rechnet? Sie sind scheinbar in einigen Städten bereits profitabel?
Thomas Beermann: car2go ist ein Konzept für Metropolen und große Ballungsräume. Eine Bevölkerungszahl, die deutlich über 500.000 liegt und eine ausreichend hohe Bevölkerungsdichte sind wichtige Kriterien. Es ist richtig, dass wir bereits in den ersten Städten wirtschaftlich erfolgreich unterwegs sind.
CARSHARING-EXPERTEN: Was sind die größten Herausforderungen aktuell mit denen Sie bei car2go zu kämpfen haben?
Thomas Beermann: Wir müssen die richtige Mischung zwischen den Ansprüchen der Kunden nach einem möglichst großen Geschäftsgebiet und vielen Fahrzeugen und der notwendigen Wirtschaftlichkeit unseres Betriebes finden. Diese Abgrenzung ist nicht immer einfach.
CARSHARING-EXPERTEN: Das Schlagwort Big Data ist aktuell in aller Munde. Wie sehen Sie Big Data im Kontext von Carsharing? Welche Daten werden aktuell bei einer Fahrt mit car2go Fahrzeugen erhoben und wie verwertet? Man kann sich hier viele spannende Fälle vorstellen, doch wo ist die Grenze?
Thomas Beermann: Die Grenze definiert eindeutig der Datenschutz und die entsprechenden Gesetze. Wir befinden uns mit diesen im absoluten Einklang und erheben bzw. speichern nur Daten, die für den Mietprozess und die Abrechnung notwendig bzw. rechtlich vorgeschrieben sind. Das sind allgemeine Kundendaten sowie Daten zum Mietanfang und –ende, die gefahrene Zeit und Kilometer. Wir speichern nicht die während einer Miete gefahrene Strecke oder das individuelle Fahrverhalten unserer Kunden.
CARSHARING-EXPERTEN: Wir glauben stark an die integrierte bzw. komplementäre Mobilität: Also eine Welt, in der nicht unbedingt der Verkehrsanbieter im Vordergrund steht, sondern die nutzerorientierte Verzahnung mehrerer Verkehrsmittel. Gewinnen werden die Anbieter, die es schaffen an der richtigen Stelle mit der richtigen Lösung präsent zu sein und gleichzeitig durch Kundennähe und Servicequalität überzeugen. Wie bewerten Sie diese Aussage? Wie positionieren Sie sich hier als car2go?
Thomas Beermann: Wir haben mit unserer Mobilitäts-App moovel bereits ein hervorragendes Angebot, in dem verschiedene Mobilitätsangebote verknüpft sind, um den Kunden den besten multi-modalen Weg von A nach B zu zeigen. moovel wird noch in diesem Jahr weiter zu einem integrierten Mobilitätsportal ausgebaut werden. Mit car2go haben wir darüber hinaus in mehreren Städten hervorragende Partnerschaften mit den Anbietern des Öffentlichen Personennahverkehrs, um beide Angebote intelligent miteinander zu vernetzen.
CARSHARING-EXPERTEN: Es wird aktuell in der Branche darüber debattiert, ob das Freefloating Carsharing der Fahrzeughersteller mit den ÖPNV in Konkurrenz trete. Wie stehen Sie dazu? Können Sie ggf. einen Gegenbeweis erbringen, dass car2go komplementär zum ÖPNV genutzt wird?
Thomas Beermann: car2go ist kein Wettbewerber sondern eine sinnvolle Ergänzung des liniengebundenen Personennahverkehrs in den Städten. Es gibt viele Situationen, in denen Innenstadtbewohner lieber individuell mobil sein wollen, als Bus oder Bahn zu benutzen, z.B. bei Strecken, die häufiges Umsteigen erforderlich machen oder zu Tageszeiten bzw. an Wochentagen mit ausgedünnten Taktzeiten des ÖPNV. Hier kann car2go auch den öffentlichen Nahverkehr entlasten, der teilweise die Versorgung kaum wirtschaftlich gestalten kann. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe sehen dies in der Regel genauso und begrüßen deshalb Systeme wie car2go ausdrücklich. In Hamburg („switchh“), Düsseldorf („Mobil in Düsseldorf“), Stuttgart, Berlin und Ulm haben wir bereits sehr erfolgreiche Kooperationen mit dem ÖPNV gestartet. Untersuchungen ergaben keine Beeinträchtigung der ÖPNV-Kundenzahlen durch car2go sondern vielmehr eine hohe Affinität zwischen den beiden Kundengruppen.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie sehen Sie Ihren Beitrag zum Umweltschutz und Nachhaltigkeit als Carsharing Anbieter?
Thomas Beermann: Wir haben aber das Thema Mobilitätsdienstleistungen und insbesondere car2go in den letzten Jahren mehrfach mit maßgeblichen Umweltverbänden besprochen, so auch eingehend im Rahmen unseres Daimler Sustainability Dialogues. Bislang haben wir breite Zustimmung erhalten. Die dort erhaltenen Anmerkungen aufgreifend haben wir auch beschlossen eine erste systematische Bilanzierung für car2go durch das Öko-Institut und das Institut für Ökologische Sozialforschung ISOE erstellen zu lassen. Erste Ergebnisse die auch Verhaltens- und Nutzungsänderungen berücksichtigen werden zum Jahresende vorliegen. Ergebnisse unserer eigenen Kundenbefragungen und erster begleitender Forschungsarbeiten zeigen, dass car2go weniger zusätzlichen Verkehr generiert als vielmehr vorhandenen Verkehr, der sonst mit anderen Fahrzeugen erfolgen würde, ersetzt und den öffentlichen Nahverkehr sinnvoll ergänzt.
Gerade in Innenstädten bringt die Verwendung eines Mobilitätskonzeptes wie car2go durch die Verwendung des sparsamen und umweltfreundlichen smart fortwo eine deutliche Entlastung der innerstädtischen Verkehrsverhältnisse, vor allem hinsichtlich des CO2-Ausstosses (Studie Universität Ulm) und der Flächennutzung. In Stuttgart, Amsterdam und San Diego sind wir darüber hinaus ausschließlich mit Elektrofahrzeugen unterwegs und fahren lokal mit Null Emissionen.
CARSHARING-EXPERTEN: Möchten Sie mit car2go black den klassischen Autovermietern Konkurrenz machen? Stationäres Carsharing mit voller Flexibilität, was den Abgabeort des Fahrzeugs angeht - ohne Aufpreis - ist schon sehr spannend.
Thomas Beermann: car2go black ist ein Premium Carsharing Service und kein Mietwagenverleih, deshalb besteht aus unserer Sicht kein Wettbewerb zum Kerngeschäft klassischer Autovermieter. car2go black zeichnet sich durch einen komplett Smartphone-basierten Mietvorgang, einfache Verfügbarkeitsüberprüfung und ein hohes Maß an Flexibilität aus. Im Gegensatz zum klassischen Mietwagen setzt car2go black auf die spontane Nutzung und betont die Möglichkeit der One-Way-Miete. Zudem beginnt car2go black mit der stundenweisen Nutzung, während die Mindestmietdauer beim Mietwagen 24 Stunden beträgt. Wir haben also unterschiedliche Nutzungsdauer und Nutzungsgründe bei car2go black und dem klassischen Mietwagenverleih. Einen Wettbewerb sehen wir hier nicht.
Bildquelle: media.daimler.com