Carsharing 2015: Der Boom hält an

Mehr als eine Million Carsharer gibt es in Deutschland. Führende Carsharing Anbieter wie z.B. DriveNow oder car2go konnten im Jahr 2014 die Anzahl ihrer Nutzer sogar nahezu verdoppeln. Der Boom hält an, nichtsdestotrotz sprechen wir hier immer noch von einem Nischenangebot. Anders gesagt: Weniger als 2% der Führerscheinbesitzer in Deutschland setzen auf Carsharing.

Wenn man sich die Zahl vor Augen führt, sieht man, dass wir immer noch am Anfang einer Wachstumsstory stehen und es noch viel Luft nach oben gibt. In 2014 konnten wir erste Konsolidierungsbewegungen im Markt beobachten (z.B. Autonetzer und Nachbarschaftsauto fusionierten) und gleichzeitig kommen neue Konkurrenten in den Markt (z.B. Drivy, Spotcar oder Scouter).

Ein Jahr nach unserer Interviewreihe „Macher der modernen Mobilität“, in welcher wir u.a. nach den Erwartungen und Zielen der einzelnen Carsharing-Anbieter im Jahr 2014 fragten, haben wir die Antworten mit dem tatsächlich erreichten abgeglichen und um Feedback gebeten. Gleichzeitig blicken wir nach Vorne und möchten wissen, was die einzelnen Carsharing Anbieter vom Jahr 2015 erwarten.

Freefloating Carsharing als Wachstumstreiber No. 1

Als eines der ersten Carsharing-Unternehmen im Markt konnte DriveNow im vergangenen Jahr die operative Profitabilitätsschwelle erreichen und gleichzeitig ist das Carsharing-Angebot von BMW und SIXT zum kundenstärksten Carsharer in Deutschland aufgestiegen (> 360.000 Kunden).

Damit konnte DriveNow den endgültigen Proof of Concept hierzulande erbringen. Im nächsten Schritt möchte das Unternehmen die Internationalisierung des Konzeptes vorantreiben. Bereits im letzten Jahr hatte DriveNow mit den Städtelaunches in London und Wien einen Anfang gemacht.

DriveNow ist stolz auf das bisher Erreichte. Der Unternehmenssprecher fasst die vergangenen Monate wie folgt zusammen: „Insgesamt liegt ein sehr bewegtes Jahr hinter uns, in dem wir stark gewachsen sind und unsere Stellung als innovativer und führender Carsharing-Anbieter weiter ausbauen konnten. Das zeigt sich beispielsweise auch in unseren Studien, wonach die Marke DriveNow weiterhin an Bekanntheit und Beliebtheit zunehmen konnte.“

Die Zielsetzungen von DriveNow für 2015 sind klar. Die internationale Expansion soll weiter fortgesetzt werden. Aktuell steht jedoch noch nicht fest, in welchen und in wie vielen Städten 2015 DriveNow in diesem Jahr Einzug halten wird. Es laufen aktuell Gespräche mit verschiedenen Städten. Weiterhin möchte das Unternehmen das Thema der Elektromobilität entscheidend vorantreiben. So soll der BMW i3 in London und in den deutschen DriveNow Flotten integriert werden.

Auch car2go, das Angebot des Stuttgarter Autobauers Daimler, konnte sich im vergangenen Jahr prächtig entwickeln. Das Unternehmen steckt mittendrin in der Internationalisierung des Geschäftskonzeptes. Insgesamt eine Million Kunden bedient nun car2go in 30 Städten, die sich auf 8 unterschiedliche Länder verteilen. Im laufenden Jahr soll das Wachstum fortgesetzt und das car2go Netzwerk in neuen Märkten erweitert werden. So möchte, das Unternehmen u.a. nach Osteuropa expandieren. Aktuell werden beispielsweise Gespräche mit der Stadt Warschau geführt.

Die Rahmenbedingungen für Elektro-Carsharing sind nicht optimal

CITROËN hat sich als eines der wenigen Unternehmen in Deutschland voll und ganz dem Elektro-Carsharing verschrieben. Das Unternehmen betreibt den Elektro-Carsharing Dienst Multicity in Berlin. Grundsätzlich sei der Französische Autobauer mit dem Dienst zufrieden. Auf die Frage ob eine Expansion in weitere Städte geplant sei, heißt es: „CITROËN kann nach dem Jahr 2014 auf 2,5 Jahre Multicity zurück schauen und eine aussagekräftige Bilanz aufstellen, nach Analyse dieser kann eine Bewertung zur etwaigen Expansion stattfinden. Ebenfalls wird diese Bilanz ausschlaggebend auf Pläne und Erwartungen für 2015 sein.“

Während das Unternehmen mit der eigenen Performance zufrieden sei, bemängelt CITROËN die aktuellen Rahmenbedingungen für Elektromobilität in Deutschland. Wie bereits in unserer Interviewreihe vor einem Jahr thematisiert, bestünden weiterhin erhebliche Probleme in Form der verfügbaren Ladeinfrastruktur und der logistischen Disposition für diese Art der Antriebstechnologie.
 

Ein Unternehmenssprecher fasst den Status Quo wie folg zusammen: „In Summe sind unsere eigenen Erwartungen erfüllt, die Erwartungen an die Rahmenbedingungen leider nicht.“

Deutsche Bahn ist Vorreiter bei intermodaler Mobilität

Die Deutsche Bahn betreibt ihr eigenes Carsharing Angebot unter der Marke Flinkster. Hierbei handelt es sich um das flächendeckendste Carsharing-Angebot in Deutschland. Rund 3.600 Autos stehen in mehr als 200 deutschen Städten zur Verfügung. Insgesamt gibt es rund 1.000 Flinkster-Stationen in der Bundesrepublik. Alle großen ICE Bahnhöfe in Deutschland sind mit einer Flinkster-Station versorgt, was perfekt die intermodalen Ambitionen der Deutschen Bahn unterstreicht.

Sylvia Lier, Geschäftsführerin DB Rent GmbH, fasst das vergangenen Jahr zusammen: „Wir sind mit dem Jahr 2014 sehr zufrieden. Immerhin haben wir eine hohe Wachstumsrate im zweistelligen Prozentbereich. Das ist ein klares Signal, dass sich stationsbasiertes Carsharing großer Beliebtheit erfreut. Die Verlässlichkeit und die Preise spielen hier auch eine große Rolle. Der Mobilitätsmarkt ist einem starken Wandel unterworfen. Besonders deutlich wird dies bei den beiden Trends: Produkte und Dienstleistungen. Diese müssen einfach und unkompliziert nutzbar sein“.

Ein Blick auf das Mobilitätsportfolio der Deutschen Bahn zeigt, dass intermodale Mobilität hier nicht nur auf dem Konzeptpapier existiert, sondern tatsächlich bereits gelebt wird. Frau Lier erklärt, worauf es in der Zukunft im Bereich der Mobilität ankommt: „Reisen werden immer intermodaler. Das heißt, dass verschiedene Mobilitätsprodukte "in Reihe" genutzt werden. Deshalb gilt es, auf der Anbieterseite nun verstärkt darum, diese Produkte für den Nutzer gesamthaft anzubieten. Dazu müssen zentral Reiseinformationen zur Verfügung gestellt werden. Ebenso gilt es einheitliche Buchungen und Reservierungen anzubieten. Für "Flinkster Carsharing" und "Flinkster Corporate Carsharing" haben wir einen klaren Entwicklungsplan: Optimierung der eigenen Flotte und Stationen durch Bündelung von Fahrzeugen an größeren Stationen, Abbau unwirtschaftlicher Kleinst-Stationen und Einführung einer flexibleren Nutzung durch Übernahme und Rückgabe an verschiedenen Stationen. Des Weiteren werden wir das "Flinkster Corporate Carsharing" und die Kombination mit "Flinkster Carsharing" weiter ausbauen.“

Volkswagen hat den Chinesischen Markt im Visier

Der Volkswagen Konzern verfolgt mehrere Initiativen im Bereich des Carsharings. Zum einen betreibt das Unternehmen mit Quicar selbst ein Carsharing Pilotprojekt in Hannover. Der Unternehmenssprecher von VW Financial Services fasst den Status Quo des Projektes wie folgt zusammen: „Das als Pilot angelegte Projekt Quicar wurde auch in 2014 in Hannover erfolgreich weitergeführt. Dabei hat sich Quicar als feste Größe im hannoverschen Carsharing-Markt etabliert, verfügt in Hannover über eine gute Kundenakzeptanz und wird diese Kunden weiterhin bedienen. Als Startschuss in das Jahr 2015 ändert Quicar am 15. Januar sein Preismodell. Ziele sind eine erhöhte Preissicherheit für die Kunden sowie die Erschließung neuer Nutzungsszenarien. Eine nationale bzw. internationale Ausweitung von Quicar ist aktuell nicht in Planung.“

Zum anderen hatte sich die VW Financial Services AG bereits im Jahr 2013 an dem holländischen Carsharing-Anbieter Greenwheels beteiligt. Das Ziel war es von den Erfahrungen des im Niederländischen Markt erfolgreichen Carsharing-Betreibers zu lernen. „Auch die Zusammenarbeit mit Greenwheels wird in 2015 intensiviert. Zielsetzungen sind nach wie vor die gemeinsame Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Dabei dient Greenwheels als Anbieter-Plattform für einzelne Marken des Konzerns und deren Carsharing-Lösungen, erklärt Malte Krause, Pressesprecher der Volkswagen Financial Services AG.

Jenseits der Carsharing-Aktivitäten in Europa, wagt Volkswagen den Schritt nach China, um dort mit einem Corporate Carsharing Modell zu experimentieren. Malte Krause spricht über die Aktivitäten in China: „Gleichzeitig pilotiert die Volkswagen New Mobility Services Investment Company China (VW NMS), als 100-prozentige Tochter der Volkswagen Financial Services AG, seit 2014 mit VRent ein Corporate Carsharing Modell für Unternehmen und deren Mitarbeiter. Mit diesem für China völlig neuen Konzept wird dem Kunden der unkomplizierte, flexible und direkte Zugang zu einer umfangreichen Fahrzeugflotte diverser Kategorien ermöglicht. Ein ausschließlich nutzungsbasiertes Tarifmodell mit monatlicher Abrechnung sorgt dabei für volle Transparenz und Kostenkontrolle.“

Konsolidierung und neuer Wettbewerb im P2P Carsharing Markt

Mit dem Zusammenschluss von Autonetzer und Nachbarschaftsauto formte sich ein eindeutiger Marktführer im P2P Carsharing Markt in Deutschland.

Sebastian Ballweg, Gründer und CEO von Autonetzer fasst das Jahr  2014 zusammen: „Wir sind mit der Entwicklung 2014 sehr zufrieden. Nicht zuletzt durch den Zusammenschluss mit Nachbarschaftsauto konnten wir unsere Nutzerbasis im Jahr 2014 auf knapp 100.000 mehr als verdoppeln. Ein weiteres Highlight war sicherlich die Entscheidung des Landesgerichtes Berlin zu unserer Gunsten: Privates Carsharing hat sich nicht den gleichen Regelungen wie bei professionellen Anbietern zu unterwerfen. Das gibt uns als Plattform-Betreiber und allen Autonetzern ein sicheres Gefühl und bestärkt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Michael Minis, CEO von tamyca, zeigt sich ebenfalls erfreut, was die Entwicklung seines Unternehmens angeht: „Das Jahr 2014 war für die tamyca Community und das gesamte Team ein hervorragendes Jahr. Anfang des Jahres erschien die Seite in neuem Design. Gemeinsam mit den Nutzern konnten wir die Funktionalität und die Handhabung weiter verbessern. Im Laufe des Jahres haben wir zudem durch Kooperationen mit starken Partnern die Community und das Angebot an Fahrzeugen stark ausbauen können. Daher sind wir mit dem Wachstum und der technischen Entwicklung in 2014 sehr zufrieden.“

Den Zusammenschluss der beiden Konkurrenten Autonetzer und Nachbarschaftsauto kommentiert Michael Minis anerkennend aber doch mit leichter Skepsis, was die Größe des Unternehmens nach der Fusion angeht: „Der Zusammenschluss der beiden Plattformen macht sie schlagkräftiger, keine Frage. Ob die neue Plattform, wie sie selbst behauptet, die größte Plattform und damit Nr. 1 im Markt ist und somit die meisten Anmietungen in Deutschland hat, wissen wir allerdings nicht.“

Während sich der bestehende Wettbewerb konsolidiert, möchte ein neuer Player den Deutschen P2P Carsharing Markt aufmischen. Der französische P2P Carsharing Marktführer Drivy drängt mit komfortabler finanzieller Ausstattung auf den Deutschen Markt. Im Dezember 2014 wurden die ersten Aktivitäten in Berlin aufgenommen. Mitte Januar 2015 startete Drivy außerdem in Hamburg.

Gero Graf, Geschäftsführer der Deutschen Drivy Dependence spricht über die ersten Schritte im Deutschen Markt: „Wir haben bereits über 100 Autos in Berlin live und bereits 26 Autos zum Start in Hamburg. Das freut uns um so mehr, da diese Autos bereits vor dem eigentlichen Launch in Hamburg von ihren Autobesitzern eingetragen wurden. Es zeigt, dass sich das Thema weiterträgt. Die erste Zeit war geprägt von viel operativer Tätigkeit und der Unterstützung der Mieter wie Vermieter. Das ist zwar zeitintensiv, aber es trägt Früchte. Unsere Bewertungen auf drivy.de sind zu 100% positiv, was uns selbst etwas überrascht hat. Diese Serviceorientierung aufrechtzuerhalten wird natürlich eine Herausforderung und wir sind noch in den Anfängen. Wir freuen uns auf die weitere Expansion.“

Die Frage ob der Deutsche Markt einen weiteren P2P Carsharing Anbieter vertrage, beantwortet Graf mit folgenden Worten: „Der potenzielle Markt ist riesig. Allein in den großen deutschen Städten kann man einiges bewirken. Es gibt dort noch genügend Raum. Letztlich hilft jede Aufmerksamkeit zum Thema privater Autovermietungen ja auch gegenseitig. Wir freuen uns auf gesunden Wettbewerb!“

Auch seine Konkurrenten Autonetzer und tamyca haben das Gefühl, dass jede zusätzliche Aktivität dem gesamten Markt aktuell nur helfen kann.

Michael Minis von tamyca erläutert „Wir stehen in freundschaftlichem Kontakt zum Drivy-Team. Der Auftritt in Frankreich ist herausragend und wir sind gespannt, ob Drivy mit seinem Budget und der Erfahrung aus dem französischen Markt helfen kann, den deutschen P2P Markt weiter zu vergrößern. Wir sehen in dem Markteintritt eine Bereicherung.“

Sebastian Ballweg von Autonetzer sieht sein Unternehmen aufgrund der aktuellen Größe deutlich im Vorteil, begrüßt aber auch den Wettbewerb: „Der Markteintritt zeigt, dass sich alle Blicke auf Deutschland richten, wenn es um Carsharing geht. Drivy hat in Frankreich definitiv einen guten Job gemacht. Jedoch kommt so schnell keiner an uns als Marktführer mit dem attraktivsten P2P-Carsharing Angebot in Deutschland vorbei. Es wird für keinen neuen Marktteilnehmer leicht sein von „Scratch“ ein annähernd attraktives Angebot in kurzer Zeit zu etablieren. Aber Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft.“

Während Drivy an den Deutschen P2P Carsharing Markt glaubt, zieht sich ein anderer Wettbewerber zurück. Die Deutsche Bahn hatte noch in 2014 mit Flinkster Privat einen P2P Ableger von Flinkster angekündigt. Laut Sylvia Lier, Geschäftsführerin DB Rent GmbH, wurden die Pläne jedoch auf Eis gelegt: „Aufgrund von intensiven Marktrecherchen halten wir das Potential nicht für ausreichend und haben uns deshalb dazu entschieden, dieses Produkt nicht weiter voran zu treiben.“

Low Cost Carsharer CiteeCar expandiert fleißig, hält sich aber mit den Kundenzahlen bedeckt

Der Low Cost Carsharer CiteeCar konnte in 2014 kräftig wachsen, zumindest was die Anzahl der Städte angeht.

Die Pressestelle von CiteeCar resümiert: „Hinter uns liegt ein großartiges Jahr, mit dem wir sehr zufrieden sind! Wir sind 2014 in sieben neuen Städten mit Erfolg an den Start gegangen und haben damit unsere Vorgaben noch übertroffen. Nach Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main profitiert nun auch das Ruhrgebiet von Low-Cost-Carsharing: In Bochum, Bottrop, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herten und Recklinghausen können umweltbewusste Bürger jetzt ebenfalls CiteeCar nutzen. Zudem konnten wir mit Toyota im vergangenen Jahr den globalen Marktführer der Automobilindustrie als Kooperationspartner gewinnen. In Berlin sind seit Oktober 30 Toyota Yaris als CiteeCars im Einsatz. Rechnet man noch das deutschlandweite Wachstum der Mitgliederzahlen hinzu, kann man festhalten: 2014 war ein super Jahr für CiteeCar!“

In 2015 möchte CiteeCar das schnelle Wachstum beibehalten und weitere Kunden gewinnen. Darüber hinaus setzt sich das Unternehmen als Ziel den Service weiter zu verbessern. So soll beispielsweise die CiteeCar App upgedatet werden.

Fazit: Der Carsharing Trend bleibt ungebrochen und wird sich in 2015 fortsetzen. Mit dem Eintritt neuer Marktteilnehmer verschärft sich zum einen der Wettbewerb zum anderen werden wir aber auch Kooperationen zwischen den Anbietern sehen (z.B. car2go und Flinkster). Am Ende werden alle Marktteilnehmer davon profitieren, wenn der Bekanntheitsgrad des Carsharing-Konzeptes wächst und in der Bevölkerung an Akzeptanz gewinnt.

Bildquellen:
Drivy
DriveNow
Carsharing Elektroauto an Ladestation mit ÖPNV Bushaltestelle © Petair - Fotolia