Hemmt die Politik das Wachstum von Carsharing und Elektromobilität? Herausforderungen und Ziele der Carsharing Anbieter in 2014

Alle Carsharing Anbieter in Deutschland konnten in den vergangenen 12 Monaten ein enormes Wachstum verzeichnen. Die Auto-Nation Deutschland ist offensichtlich offen und bereit zum Autoteilen. Im Rahmen der Interviewreihe „Macher der modernen Mobilität“ haben wir die Geschäftsführer und Leiter der einzelnen Carsharing Unternehmen zu ihren Zielen und Herausforderungen in den kommenden zwölf Monaten befragt. Das Wachstum sollte demnach in 2014 ähnlich stark sein, wie in 2013. Politische Hindernisse und fehlende Infrastruktur für Elektromobilität stehen dem Wachstum jedoch im Weg.

Während es Anfang 2013 laut Bundesverband Carsharing ca. 500.000 Autoteiler in Deutschland gab, schätzen wir die aktuelle Zahl der Carsharer auf ca. 800.000. Die eine Million-Marke sollte dieses Jahr geknackt werden, wenn die Anbieter ihr Wachstum beibehalten. Der Peer-to-Peer Carsharing Marktplatz Autonetzer konnte beispielsweise ein Nutzerwachstum von 150% im vergangenen Jahr verzeichnen. DriveNow hat die Zahl der angemeldeten Mitglieder nahezu verdreifacht. Die Anzahl der Nutzer konnte von 70.000 auf sage und schreibe 200.000 gesteigert werden.

Optimismus im schnell wachsenden Markt

Im Gespräch mit den einzelnen Carsharing-Anbietern zeigt sich großer Optimismus und starke Motivation, was weiteres Wachstum angeht. Der Low-Cost Carsharing-Anbieter CiteeCar plant beispielsweise in 2014 das CiteeCar Konzept in 6 weiteren Städten auszurollen. Ebenso DriveNow, car2go oder Hertz 24/7 werden sowohl national als auch international wachsen. Selbst große Anbieter wie stadtmobil planen ihre Flotten aufzustocken. Claudia Braun, Vorstand und Gründungsmitglied von stadtmobil Rhein-Necker AG sagt: „Wir verfolgen ja schon seit Jahren eine angebotsorientierte Firmenpolitik, so dass wir auch 2014 den Fuhrpark um etwa 20 Prozent ausbauen werden.“

In Märkten mit großem Wachstum verschärft sich logischerweise der Wettbewerb. Auch das ist ein Thema unter den Carsharing-Betreibern. Sie möchten Ihre Angebote weiter verbessern, für den Kunden komfortabler und flächendeckender gestalten und sich in ihrer eigenen Position vom Wettbewerber abgrenzen. Auch die nahtlose Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln steht auf der Agenda. „Carsharing allein kann und will keine Vollabdeckung in Sachen Mobilität gewährleisten, sondern sich intelligent mit anderen Fortbewegungsmitteln wie dem öffentlichen Nahverkehr, Mitfahrzentralen, Leihfahrrädern oder dem Taxi vernetzen. Wir müssen es dem Kunden so einfach wie möglich machen, völlig flexibel zwischen verschiedenen Verkehrsträgern umzusteigen“, sagt Dr. Andreas Schaaf, Geschäftsführer von DriveNow.

Politische Rahmenbedingungen und fehlende Infrastruktur für Elektromobilität hemmen das Wachstum

Der Markt für Carsharing-Angebote findet Akzeptanz unter den Bundesbürgern. Ein Auto zu teilen wird zunehmend als modern und hipp empfunden. Doch das Angebot für die Kunden könnte an manchen Standorten, wo große Nachfrage herrscht, sogar noch größer sein, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen würden. Claudia Braun von Stadtmobil erläutert „Wir bieten eine innovative Mobilitätsdienstleistung an, die sich mit einer Gesetzeslage aus dem letzten Jahrtausend herumschlagen muss. Das betrifft sowohl das Thema Stellplätze im öffentlichen Raum als auch die Parkerlaubnisse für unser JoeCar-System“ (Anmerkung der Redaktion: JoeCar ist das Freefloating Carsharing von Stadtmobil).

Carsharing kann es möglich machen, dass ungenutzte Privatfahrzeuge von der Straße verschwinden und weitere Parkplätze frei werden. Doch bis das erreicht ist, müssen Carsharing Fahrzeuge in ausreichender Zahl mit möglichst hohem Komfort beim Buchungshandling für den Nutzer verfügbar sein. Dr. Andreas Schaaf von DriveNow appelliert in dem Zusammenhang an die Städte, „die sich klar dazu bekennen müssen, Carsharing zu fördern“.

Carsharing und Elektromobilität: Mehr Nachhaltigkeit geht nicht

Für viele Carsharing Anbieter ist darüber hinaus das Thema Elektromobilität sehr wichtig. Die fehlende Ladesäulen-Infrastruktur stellt aktuell noch ein großes Hemmnis beim Wachstum respektive bei der Akzeptanz dieser zukunftsweisenden Technologie dar. Der Einsatz von Elektromobilität beim Carsharing könnte dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen und ggf. vorhandene Berührungsängste abbauen.

Der französische Automobilhersteller CITROËN unterhält mit Multicity-Carsharing in Berlin Deutschlands erstes zu 100% elektrisch betriebenes Carsharing-Netz. Die Ladeinfrastruktur ist für solch einen Anbieter von größter Bedeutung. „Derzeit gibt es in Berlin ca. 200 öffentliche Ladesäulen, die durch Multicity Kunden genutzt werden können. Jedoch ist die Anzahl noch viel zu gering. Viele unserer Kunden wünschen sich mehr Ladesäulen für eine flexiblere Nutzung. Betrachtet man dieses Problem in Hinblick auf den Ausbau von Multicity in Berlin (z.B. durch die Geschäftsgebietserweiterung) stellt dies in einigen Augen ein enormes Hemmnis dar“, so Stephan Lützenkirchen, Direktor Presse und Öffentlichkeitsarbeit der CITROËN Deutschland GmbH.

Auch der Autovermieter Hertz würde gerne mehr Elektrofahrzeuge in die Flotte des eigenen Carsharing-Dienstes Hertz 24/7 aufnehmen: „Wir möchten Elektrofahrzeuge gerne in unser Hertz 24/7-Angebot – und auch in die Green Collection der Hertz Autovermietung –  aufnehmen. Doch dieser Schritt macht erst dann richtig Sinn, wenn die Infrastruktur gegeben ist, die der Elektromobilität Attribute wie komfortabel und praktisch verleiht“, erklärt Elyes M´Rad, Geschäftsführer der Hertz Autovermietung in Deutschland.

Damit sich das Elektroauto als Stadtauto durchsetzen kann, sind auch an dieser Stelle die Städte gefragt, ihre Infrastruktur entsprechend auszurichten. Ein gutes Zusammenspiel zwischen Stadt, Automobil- und Energiewirtschaft ist essentiell für das Wachstum der Elektromobilität.

Befindet sich die Share Economy in der gesetzlichen Grauzone?

Die Peer-to-Peer Carsharing Anbieter hingegen stehen zum Teil vor anderen Herausforderungen. Marktplätze wie Autonetzer, Nachbarschaftsauto oder Tamyca haben in der Zwischenzeit eine sichtbare Relevanz in der öffentlichen Wahrnehmung erreicht, so dass sie auch den etablierten Playern der „Old Economy“ gefährlich werden können. Das Sharing Modell scheint zu funktionieren. Die neuen coolen Start-Ups der Share Economy, die zum Teilen von ungenutzten Ressourcen in privaten Haushalten animieren, haben gleichzeitig eine polarisierende Stellung eingenommen. Die althergebrachten Marktteilnehmer fühlen sich bedroht. Der Bundesverband der Autovermieter hat im Oktober 2013 eine Klage gegen Autonetzer erhoben. Die Autovermieter sehen sich durch strengere Regeln, die sie als gewerbliche Anbieter erfüllen müssen, benachteiligt. Solche und ähnliche Vorgehensweisen sind auch in anderen Sektoren der Share Economy zu beobachten. Die Share Economy Akteure bewegen sich in gewisser Weise in einer rechtlichen Grauzone. Es ist nicht immer eindeutig geregelt, was die Betreiber von solchen Plattformen ihren Nutzern als Pflicht auferlegen müssen und wo die Grenzen liegen. Auch hier wird der Gesetzgeber gefragt sein, mehr Rechtssicherheit zu geben.

Darüber hinaus leisten die peer-to-peer Carsharing Plattformen viel Aufklärungsarbeit und sind missionarisch unterwegs, um Menschen klar zu machen, dass man ein Auto nicht unbedingt besitzen muss und trotzdem mobil sein kann. „Die Kunst ist es zu vermitteln, dass man günstiger und flexibler unterwegs ist, wenn man sich ab und zu das passende Auto für den passenden Zweck über Autonetzer ausleiht, als ein eigenes Auto zu besitzen“, so Sebastian Ballweg, Gründer und Geschäftsführer von Autonetzer.

Auf die Frage, ob die Deutschen bereit seien ihr geliebtes Auto zu verleihen, antwortet Christian Piepenbrock, Gründer und Geschäftsführer von Nachbarschaftsauto wie folgt: „Ja, die Deutschen sind bereit, ihr Auto zu verleihen. Bevor sie das tun, haben sie allerdings viele Fragen – zu Recht! Vertrag, Versicherung, Verantwortung, Bezahlung“.

Nachfolgende sehen Sie eine Übersicht mit den Zielsetzungen und Herausforderungen der einzelnen Carsharing Betreiber. Die einen Anbieter haben etwas mehr, die anderen etwas weniger verraten. Zusammengenommen ergibt sich ein sehr interessantes Stimmungsbild.

Wenn Sie die Interviews mit den Mobilitäts-Machern im Detail lesen möchten, finden Sie an dieser Stelle die Übersicht aller Interviews.

Bildquelle: © XtravaganT - Fotolia.com