Carsharing (DriveNow)
Im Rahmen unserer Interviewreihe "Die Macher der modernen Mobilität" sprechen wir mit den Menschen hinter den neuen Mobilitätskonzepten über ihre Strategien, den Wettbewerb und ihre allgemeine Sicht auf die Märkte. Den Anfang machen wir mit Dr. Andreas Schaaf, Geschäftsführer von DriveNow. Herr Schaaf verantwortet die Bereiche Marketing und Finanzen beim Münchner Carsharing Joint Venture der BMW Group und der Sixt AG.
CARSHARING-EXPERTEN: Guten Tag Herr Dr. Schaaf, vielen Dank dass Sie sich Zeit für ein Interview genommen haben. Können Sie uns zum Start ein kleines Update geben, wie Sie die Position von DriveNow im deutschen Carsharing Markt sehen? 185.000 Kunden in 5 Städten in ca. 2 Jahren. Sind Sie mit der Performance zufrieden?
Andreas Schaaf: DriveNow ist eine feste Größe auf dem Carsharing-Markt und steht ganz klar für die Innovationskraft in diesem Segment. Seit dem Start vor rund zwei Jahren haben sich über 185.000 Kunden registriert, die städteübergreifend auf rund 2.300 Fahrzeuge zugreifen können. Damit zählt DriveNow zu den am schnellsten wachsenden Carsharing-Unternehmen in Deutschland. Dieser Erfolg macht uns sehr stolz.
CARSHARING-EXPERTEN: Es gibt in Deutschland aktuell rund 800.000 Carsharer. Das ist im Gesamtkontext noch nicht viel. Wie kann die Popularität von Carsharing gesteigert werden? Wie möchten Sie wachsen?
Andreas Schaaf: Mit genau der Strategie, der wir bisher gefolgt sind und die unsere Kunden in kürzester Zeit zu Carsharing-Fans gemacht hat: DriveNow steht für Nachhaltigkeit, Innovation und Lifestyle. Wir setzen als einziges Carsharing-Modell konsequent auf effiziente Premiumfahrzeuge. Zudem halten wir die Fahrzeuge nur acht bis zehn Monate – je nach Laufleistung und Fahrzeugzustand – in unserer Flotte. Den Nutzern stehen dabei verschiedene Modelle der Marken BMW und MINI zur Verfügung – egal ob gerade ein wendiges Stadtauto oder viel Stauraum benötigt wird. So muss unsere Zielgruppe auch bei einem „geteilten“ Fahrzeug nicht auf die Vorteile eines hochwertigen Autos verzichten und findet für jeden Bedarf das passende Modell. In dieser Kombination können unsere Kunden nur DriveNow erleben. Damit haben wir Carsharing erst emotional gemacht.
Darüber hinaus wurden die Flotten in Berlin und München im Juni 2013 um 60 vollelektrische BMW ActiveE ergänzt. Mit der Aufnahme des BMW i3 im nächsten Jahr werden wir auch weiterhin auf diese nachhaltige Zukunftstechnologie setzen.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie sind Ihre Pläne für 2014? Welches Wachstum planen Sie? Welche Städte möchten Sie als nächstes erschließen?
Andreas Schaaf: Erst im November 2013 ist DriveNow in Hamburg als fünfte deutsche DriveNow-Stadt gestartet. Wir werden unser Konzept weiter ausrollen und auch international expandieren. Zudem planen wir im Jahr 2014 mit dem BMW i3 den Anteil an Elektrofahrzeugen in der DriveNow-Flotte sukzessive zu erhöhen. Welchen exakten Umfang diese Ausweitung haben wird, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der bis dahin existierenden Ladeinfrastruktur in den Städten, aber natürlich auch von den Testergebnissen unserer Erprobungsphase.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie groß muss eine Stadt mindestens sein, dass sich Ihr Carsharing Konzept einigermaßen rechnet?
Andreas Schaaf: Interessant sind für uns im ersten Schritt vor allem große Metropolen. Wir brauchen urbane Zentren mit einer kritischen Größe von mindestens 500.000 Bewohnern, damit sich das flexible System selbst regulieren kann. Wäre dies nicht der Fall, müsste das Flottenmanagement zu sehr die Gleichverteilung der Fahrzeuge steuern. Das wäre allerdings in ökologischer und ökonomischer Hinsicht wenig sinnvoll. Zu den Merkmalen, die die Attraktivität von DriveNow für Metropolenbewohner erhöhen, gehören außerdem die Innenstadtbebauungssituationen, das Parkraumangebot und der Status des ÖPNV-Angebots. Hierbei steht die Entlastung der Städte, vor allem vom Parksuchverkehr im Vordergrund. Zusätzlich konzentriert sich das Engagement auf moderne Städte mit Bürgern, die offen gegenüber neuen Formen der intermodalen Mobilität sind.
CARSHARING-EXPERTEN: Was sind die größten Herausforderungen aktuell mit denen Sie bei DriveNow zu kämpfen haben?
Andreas Schaaf: Die Verknüpfung von Mobilitätsketten sowie das Thema Elektromobilität zählen sicherlich zu den größten Herausforderungen.
Carsharing allein kann und will keine Vollabdeckung in Sachen Mobilität gewährleisten, sondern sich intelligent mit anderen Fortbewegungsmitteln wie dem öffentlichen Nahverkehr, Mitfahrzentralen, Leihfahrrädern oder dem Taxi vernetzen. Wir müssen es dem Kunden so einfach wie möglich machen, völlig flexibel zwischen verschiedenen Verkehrsträgern umzusteigen. In einem ersten Schritt haben wir bereits verschiedene Partnerschaften mit den Mobilitätsanbietern in den Städten geschlossen. Das Ziel dieser Kooperationen ist es, die jeweiligen Dienstleistungen sinnvoll für den Kunden zu verknüpfen.
Carsharing ist zudem ein wichtiger Treiber für das Thema Elektromobilität. Mit dem Einsatz von emissionsfreien Elektrofahrzeugen in unserer Flotte machen wir flexibles Carsharing bereits zu einem nachhaltigen Zukunftstrend. Die Infrastruktur in den Städten ist jedoch noch sehr unterschiedlich, daher sind wir auch noch ein Lernprojekt für die Städte. Erst die Schaffung eines flächendeckenden Ladestationen-Netzes wird einen weiteren Ausbau begünstigen – hier sind vor allem die Städte in der Verpflichtung diese Entwicklung noch stärker voranzutreiben. Auch bei der Vergabe von Parkplatzlizenzen und der Gestaltung von Gebührenordnungen sind wir auf die Kooperation der Städte angewiesen, die sich klar dazu bekennen müssen, Carsharing zu fördern. Denn erst durch Carsharing kann es gelingen, ungenutzte Privatfahrzeuge obsolet zu machen und mehr verfügbare Parkplätze zu schaffen.
CARSHARING-EXPERTEN: Können Sie uns etwas über die Kundenloyalität der DriveNow Nutzer verraten? Wie viele Wiederkehrende Nutzer gibt es und wie viele Kunden bleiben bei einer einzigen Fahrt?
Andreas Schaaf: Insgesamt sind die Nutzer von DriveNow sehr zufrieden. Über 90% würden DriveNow ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen. Zudem nimmt ein großer Anteil unserer registrierten Kunden das Mobilitätsangebot von DriveNow regelmäßig in Anspruch.
CARSHARING-EXPERTEN: Wir glauben, dass die Zukunft der Mobilität in Form einer nahtlosen Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel bestehen wird. Die Wahl eines bestimmten Verkehrsanbieters rückt in den Hintergrund und eine optimale Vernetzung der einzelnen Verkehrsmittel (Carsharing ÖPNV, Rad, Privatauto) in den Vordergrund. Die Menschen werden in der Zukunft sich nicht explizit nur als Autofahrer, Radfahrer, Carsharer oder ÖPNV-Nutzer bezeichnen, sondern nach einer passenden Kombination suchen. Gewinnen werden die Anbieter, die es schaffen an der richtigen Stelle mit der richtigen Lösung präsent zu sein und gleichzeitig durch Kundennähe und Servicequalität überzeugen. Wie bewerten Sie diese Aussage? Wie positionieren Sie sich hier als DriveNow?
Andreas Schaaf: Wir von DriveNow können dieser Aussage nur zustimmen. Unsere internen Umfragezahlen zeigen, dass Intermodalität den Nutzern sehr wichtig ist. So wird DriveNow stets in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln als Teil einer umfassenden Mobilitätskette genutzt. Dabei greifen DriveNow-Kunden auch überproportional häufig auf den ÖPNV zurück. Die Möglichkeit und der Wunsch danach, verschiedene Verkehrsmittel ideal kombinieren zu können, wird das Mobilitätsverhalten und Angebot in Zukunft maßgeblich beeinflussen. DriveNow ist daher bestrebt, die Vernetzung der einzelnen Mobilitätsangebote zu fördern. Denn erst durch die Verknüpfung entsteht eine wirkliche Alternative zum privaten PKW-Besitz in den Ballungszentren. Dass sich bei diesem Prozess letztendlich die Anbieter durchsetzen werden, welche durch Kundennähe und hohe Servicequalität punkten, dürfte vorhersehbar sein.
CARSHARING-EXPERTEN: Es wird aktuell in der Branche darüber debattiert, ob das Freefloating Carsharing der Fahrzeughersteller mit den ÖPNV in Konkurrenz trete. Wie stehen Sie dazu? Können Sie ggf. einen Gegenbeweis erbringen, dass DriveNow komplementär zum ÖPNV genutzt wird?
Andreas Schaaf: Vorab zunächst folgendes: DriveNow versteht sich nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung und Ergänzung der bestehenden innerstädtischen Mobilitätsmöglichkeiten wie zum Beispiel öffentlicher Nahverkehr, Fahrrad oder Taxi. In Berlin besitzen zum Beispiel 55% der DriveNow Kunden zugleich ein ÖPNV-Abo. So greifen die Nutzer beispielsweise beim Ausgehen oder für die Fahrt ins Restaurant auf DriveNow zurück und treten den Heimweg mit dem Taxi oder ÖPNV an. DriveNow wird damit als Teil einer umfassenden Mobilitätskette genutzt. Gerade weil sich die verschiedenen Verkehrsmittel ideal ergänzen, sind wir bereits Partnerschaften mit den Öffentlichen Nahverkehren in Berlin (BVG), Düsseldorf (Rheinbahn) und Köln (KVB) eingegangen. Der Öffentliche Nahverkehr ist also nicht Wettbewerb, sondern Partner.
CARSHARING-EXPERTEN: Wie sehen Sie Ihren Beitrag zum Umweltschutz und Nachhaltigkeit als Carsharing Anbieter? Können Sie in dem Kontext ein paar Worte zu Ihrem Angebot der Elektrofahrzeuge in München und Berlin sagen. Wie wird es angenommen? Wie sieht das Kundenfeedback aus?
Andreas Schaaf: Natürlich ist das Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz eines der vorrangigsten Ziele von DriveNow. Unsere Fahrzeuge sorgen nach unserer Einschätzung dafür, dass viele Menschen ihre älteren, ineffizienten und wenig genutzten Autos – insbesondere Zweitwagen – abschaffen. Der Emissionsausstoß wird durch die effizienteren Neu- und Elektrofahrzeuge der DriveNow-Flotte, aber auch durch weniger Parksuchverkehr deutlich reduziert. Die Alternative zu Carsharing wären mehr Fahrzeuge. So kommen zum Beispiel auf ein DriveNow-Fahrzeug bis zu 100 Nutzer, die sonst unter Umständen ein eigenes Fahrzeug hätten. Unsere bisherigen Erfahrungen mit den insgesamt 60 BMW ActiveE, die wir derzeit in Berlin und München im Rahmen von Forschungsprojekten einsetzen, sind durchweg positiv: Die e-Carsharing-Fahrzeuge sind sehr beliebt, verzeichnen eine hohe Auslastung und unsere Kunden zeigen keinerlei Berührungsängste mit dieser neuen Technologie.
CARSHARING-EXPERTEN: Können Sie uns etwas über DriveNow verraten, was die Öffentlichkeit noch nicht weiß?
Andreas Schaaf: Wie Sie sich denken können, werden in den DriveNow-Fahrzeugen tagtäglich viele Dinge von A nach B transportiert. Selbstverständlich wurde dabei auch schon der ein oder andere Gegenstand vergessen. Zu den bisher kuriosesten Fundstücken gehören: eine Schreibmaschine, die von einem DriveNow-Kunden auf dem Flohmarkt gekauft, aber leider nach Ende der Fahrt im Kofferraum vergessen wurde und sogar ein kleiner, schlafender Hund, der in einem Fahrzeug aus Versehen zurückgelassen und von seiner besorgten Besitzerin schmerzlich vermisst wurde. Alle Fundschätze konnten aber dank des engagierten Einsatzes unserer Servicemitarbeiter wieder an ihre Besitzer übergeben werden.
CARSHARING-EXPERTEN: Herr Dr. Schaaf, vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und sind sehr gespannt wie sich dir Branche und DriveNow weiter entwickeln.
Bildquellen: DriveNow / BMW Group